Originaltext von Dr. Gunther Schmidt, zusammengefasst von F.A.
In aller Regel werden von den KlientInnen Lösungsversuche, die von ihnen bisher angewendet wurden, um ihr sog, Problem zu lösen, als Erwartung an die BeraterInnen herangetragen. Solche Lösungsversuche sind zwar gut verstehbar, leider sind es aber fast immer solche, die das Problem eben nicht gelöst haben, sondern eher zur Aufrechterhaltung oder gar Verstärkung des Problems beigetragen haben.
Mit folgendem Vorgehen können bisherige Lösungsversuche der KlientInnen oft schnell und effektiv für eine zieldienliche Entwicklung in einer Kooperation für realisierbare Aufträge utilisiert werden.
Utilisation: Das Potenzial der bisherigen Lösungsversuche nutzen
Problematische Lösungsversuche soll man deshalb nicht einfach verurteilen, sondern sie als Ausgangspunkt für eine konstruktive Veränderung nutzen. Dies geschieht durch die Methode der „Utilisation“, die darauf abzielt, die bereits vorhandenen Ressourcen und Erfahrungen des Klienten in den therapeutischen Prozess einzubeziehen.
Schritte der Utilisation
Der Utilisationsprozess umfasst mehrere Schritte:
1. Klienten schildern ihr Problem: Berater hören empathisch zu und begleiten den Klienten im Gespräch (Pacing).
2. Zielvision entwickeln: Klient beschreibt, was er nach der Therapie erreichen möchte. Falls dies schwierig ist, kann man später darauf zurückkommen.
3. Bisherige Lösungsversuche: Klient beschreibt, wie er bisher mit dem Problem umgegangen ist.
4. Dissoziationsmodell: Berater erklärt, dass das Problem aus verschiedenen „Seelen“ im Inneren des Klienten bestehen könnte, die miteinander im Konflikt stehen.
5. Unterschiede erleben: Klient beschreibt die Unterschiede zwischen den „Seelen“ und wie sie sein Erleben beeinflussen.
6. „Seelen“ benennen: Klient gibt den „Seelen“ Namen, um sie besser zu differenzieren.
7. Aufträge der „Seelen“: Klient beschreibt, welche Aufträge die „Seelen“ an den Berater haben.
8. Lösungsversuche darstellen: Klient stellt die bisherigen Lösungsversuche in Zeitlupe pantomimisch dar und beschreibt die Auswirkungen.
9. „Killer“-Aufträge ablehnen: Berater erklärt, dass er die „Killer“-Aufträge (z.B. „Angst wegmachen“) nicht annehmen kann, da sie das Problem verschlimmern würden.
10. „Dritte Wege“ suchen: Gemeinsam wird nach neuen Lösungsansätzen gesucht, die für alle „Seelen“ hilfreich sind.
Vorteile der Utilisation
Die Utilisation bietet mehrere Vorteile für die therapeutische Arbeit:
- Vermeidung von Widerstand: Da die Methode auf den Erfahrungen und Ressourcen des Klienten aufbaut, wird Widerstand gegen Veränderung minimiert.
- Förderung von Eigenverantwortung: Der Klient wird aktiv in den Prozess der Veränderung einbezogen und übernimmt Verantwortung für seine eigene Entwicklung.
- Nachhaltige Veränderung: Die neuen Lösungsansätze sind auf die individuellen Bedürfnisse und den Kontext des Klienten abgestimmt, was zu nachhaltiger Veränderung führt.
Durch die Utilisation wird gemeinsam mit der Klientin herausgearbeitet, wie diese Lösungsversuche ihre Angst verstärken und sie daran hindern, ihre Potenziale zu entfalten. Die Methode der Utilisation stellt ein wertvolles Werkzeug in der systemischen Therapie dar, um problematische Verhaltensweisen zu verändern. Durch die Einbeziehung der bisherigen Lösungsversuche des Klienten und die Aktivierung seiner Ressourcen ermöglicht sie eine nachhaltige und selbstbestimmte Veränderung.
Wir können daraus folglich schliessen:
- Die Methode der Utilisation basiert auf dem Prinzip der Akzeptanz und der Ressourcenaktivierung.
- Der Berater agiert als Prozessbegleiter (Realitätenkellner) und unterstützt den Klienten bei der Veränderung seiner Sichtweise und seines Verhaltens.
- Die Methode ist geeignet für die Arbeit mit verschiedenen Klienten und Problematiken.